Clemens Kuhnert

frau vor dem spiegel ²⁰⁰⁹

...

bringe mich vor das rad der rasch zu nahen

sonne, ins land, das siedeln sich verbietet:

süß wo sie lächelt lieb ich Lalage

süß wie sie plaudert.

Quintus Horatius Flaccus

wer kommt der kommt

weil klug und schön

ist sie als frau

gut anzusehn.

sie bildet sich

in sachen trieb

in ihrer zeitschrift

habt-euch-lieb!

denn niemand klärt

sie lieber auf

wie viel sie wert

und wann entehrt ist.

und da sie lernte

was ihr steht

versteht sie nicht

wer kommt und geht.

denn naht ihr einer

von den süßen

muss sie bald

wie mutti büßen.

nimmt sie einer

von den harten

muss sie bald

als notdurft warten.

wer mit ihr es

immer kann

schaut statt ihr

den spiegel an.

schwul und nett

erscheint wie eins

und tut ihr gut

doch nicht im bett.

und was leicht fällt

wird verdächtigt

man erreicht

kein ziel entspannt.

so gebärt sie

ungeborgen

um die stellung

große sorgen.

liebt sie nicht

was gleicht ihr gleicht

dann strengt das an

und einmal reicht es.

doch sie verdient

weil sie entsagt

den mann der macht

was sie nicht wagt.

und so perfekt

sie sich gestaltet

greift sie an

was schwäche zeigt.

männer sind zwar

kindgerecht

nur weiß sie mehr

von gut und schlecht.

und macht er nicht

was man ihm sagt

dann stimmt was nicht

und sowas rächt sich.

wenn nicht durch sie

und das allein

dann durch den feind

das heißt gemein.

nun zeigt die liebe

stets zum willen

in welchem sinn

wir hunger stillen,

doch stirbt man nur

in männerwelten

die nicht ihr

noch kindern gelten.

und wer zu prügeln

nicht beherrscht

kann keine wut

in grenzen zügeln,

wer trotz schwäche

sich nie stellte

stirbt vor angst

und tötet schnell.

wenn die gewalt

zuviel vernichtet

flieht sie schuldlos

die geschichte

und kann mit lust

auf lust verzichten

nur ihr kind:

das wird es richten.

sie macht sich fertig

für den abend

leise trete

ich heran

und mag mich kurz

im spiegel sehen:

sie schreckt auf

und schaut mich an.