Das war gestern. Heute ist es genau so. Ich müßte an die Arbeit gehen. Aber die Notwende ist noch nicht da. Ich habe noch keinen Hunger, und auch mit Hunger würde ich nichts anfangen. Lieber liegen bleiben. Aber es ist auch noch kein andrer Mensch, der von mir fordert und mir befiehlt. Es ist ja sehr leicht, daß jemand kommt, der stärker ist als ich und mir befiehlt. Aber er kommt nicht, und ich könnte durch irgendeine Tücke mich dieser Menschen entledigen, die mir befehlen wollen.
Ich habe selbst einmal gesagt, daß man bestimmt wieder da anfangen wird, wo man aufhörte, als man sich das Leben nahm. Das wird auch noch richtig sein, denn man fängt ja immer wieder an, wo man früher aufgehört hat, und ob es in einem vorigen Jahr, an einem vorigen Tag oder in einem vorigen Leben war, wo man nicht weiter konnte, das ist ja ganz gleichgültig.
Es hat ja den Anschein, als ob man ganz bestimmte Dinge einfach tun sollte. Aber man könnte auch endgültig sagen, daß man dies und das nicht tun will. Zum Beispiel nicht mehr arbeiten will. Und wenn man muß, wenn alles sich verständigt, um uns zur Arbeit zu verführen, uns damit phantastische Geschenke verspricht, so fällt man nicht darauf herein, sondern nimmt sich im richtigen Augenblick das Leben. Dann wird man wiedergeboren, und sowie man wieder erinnert, daß man nicht arbeiten wollte, so macht man wieder einen Schluß. Man kann ja ruhig abwarten, wer das länger aushält. Man kann diese Art von Widerstand sogar zum Moralgesetz erheben in einer Zeit, die ernstlich sich mit Gott messen will. Es wird also überliefert, daß ein tüchtiger Mensch, wenn man ihn zwingen will zu arbeiten, sich sofort das Leben nimmt und nehmen muß.
Es genügt aber sicher, daß ein Mensch sich in Gedanken das Leben nimmt. Es kann einem, wenn man mehr im Geist als im Körper lebt, nicht mehr der Gedanke kommen, daß man auch noch selbst den Kadaver schlachten muß. Dafür gibt es ja im gleichen Augenblick einen neuen Körper, wenn die Seele irgendwo untergebracht werden soll. Alle Körper kann man doch nicht schlachten, wozu also mit einem ernst machen.
Auszug aus einem unveröffentlichten zweiseitigen Manuskript (Durchschlag) aus dem Ernst-Fuhrmann-Nachlaß, im Privatbesitz von Rembert Baumann; Entstehung etwa Ende der zehner Jahre des 20. Jahrhunderts.
Heft 2, Mai 2006